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„... sicher positioniert für die Zukunft.“ (Vorstandsinterview)

Im Gespräch mit den Vorständen der EVN, Peter Layr und Stefan Szyszkowitz.

Herr Layr, der diesjährige Ganzheitsbericht der EVN trägt den Titel „Nah dran. Mit Sicherheit.“ Wie lautet Ihre erste Assoziation zu diesem Titel?

Layr: Das sind ganz klar die Themen „Versorgungssicherheit“ und „Kunden im Fokus“. Sie stehen für uns bei allen unseren Produkten und Dienstleistungen an zentraler Stelle. Dies gilt gleichermaßen für das Energie- und Umweltgeschäft in Niederösterreich wie auch in unseren Auslandsmärkten. Die hohe Bedeutung der beiden Themen wird auch im Dialog mit unseren Stakeholdern regelmäßig bekräftigt. Führt man sich die gegenwärtige Veränderung des Energiesektors in Richtung erneuerbare Energie vor Augen, sind Versorgungssicherheit und Kundenfokus dabei weit mehr als prägnante Slogans; es sind die wichtigsten Anforderungen, denen wir uns mit großem Einsatz stellen.


Herr Szyszkowitz, wie wirkt sich die dynamische Entwicklung der Erneuerbaren auf die EVN aus?

Szyszkowitz: Wir setzen hier im Rahmen unserer Konzernstrategie an drei zentralen Punkten an: mit dem Ausbau unserer eigenen Erzeugungskapazität aus erneuerbaren Quellen, mit der Bereitstellung von Erzeugungskapazität zur Stärkung der Versorgungssicherheit und mit dem Ausbau unserer Netze. Beim Ausbau unserer eigenen erneuerbaren Kapazität sind wir im Geschäftsjahr 2015/16 unserem Mittelfristziel von 300 MW allein aus Windkraft wieder einen deutlichen Schritt näher gekommen: Nach der Inbetriebnahme des Windparks Paasdorf-Lanzendorf im Juli 2016 liegt unsere Windkraftkapazität derzeit bei rund 268 MW. In den nächsten beiden Geschäftsjahren werden wir weitere, behördlich bereits genehmigte Projekte umsetzen und dadurch die 300-MW-Schwelle überschreiten.

„Vertrauen ist eine ganz wesentliche Grundlage für starke Kundenbeziehungen.“ Peter Layr

Layr: Der zweite strategische Ansatz basiert auf der anhaltend hohen Nachfrage nach Engpassmanagement und der Vorhaltung von Leistung zur Netzstabilisierung in Österreich und Süddeutschland. Im Sinn der Versorgungssicherheit stehen wir vor der Herausforderung, unsere thermischen Kraftwerke als Reservekapazität verfügbar zu halten. Damit gewährleisten wir die Stabilität der Netze trotz der stetig wachsenden Einspeisung von Strom aus erneuerbarer Erzeugung, die ja von Natur aus volatil ist. Im Geschäftsjahr 2015/16 hat der Einsatz unserer thermischen Kraftwerke aufgrund der Nachfrage für überregionalen Leistungsaustausch wieder neue Höchstwerte erreicht. Das unterstreicht auch die Bedeutung, die unseren Gaskraftwerken als „Brückentechnologie“ noch zukommt: Solange keine marktreifen, leistungsfähigen Großspeicher für Strom-Überproduktion aus Wind- und Sonnenenergie sowie steuerbarer Leistungsbedarf verfügbar sind, sind thermische Kraftwerke als Back-up für eine zuverlässige Stromversorgung unverzichtbar.

Szyszkowitz: Der dritte wichtige strategische Beitrag sind unsere massiven Investitionen in den Netzausbau: Im Rahmen eines im Jahr 2013 gestarteten Investitionsprogramms in Höhe von insgesamt 1 Mrd. Euro fließen über einen Zeitraum von vier Jahren rund 700 Mio. Euro in die Erweiterung und Verbesserung unserer Netzinfrastruktur in Niederösterreich. Damit stellen wir den Transport und die Verteilung der steigenden Mengen an Wind- und Solarstrom nachhaltig sicher. Darüber hinaus leisten wir mit diesen Investitionen einen wichtigen Beitrag für die österreichische Volkswirtschaft. Denn Branchenstudien haben ergeben, dass jeder Euro, der im Bereich der Netze investiert wird, eine volkswirtschaftliche Wertschöpfung von zwei Euro bewirkt.


Die EVN positioniert sich also an neuralgischen Punkten der Energieversorgung. Welche Konzepte gibt es sonst noch für das herausfordernde Branchenumfeld?

Layr: Wir setzen seit Jahren auf unser integriertes Geschäftsmodell im Energiegeschäft und vertiefen es gezielt durch Diversifizierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Neben der Erzeugung auf der einen und der Versorgung unserer Kunden auf der anderen Seite bildet der stabile Netzbetrieb im Strom- und Erdgasbereich das Rückgrat unserer Aktivitäten. Vielfalt zeichnet auch unser Produktportfolio aus: In unserem niederösterreichischen Heimmarkt sind wir in den Bereichen Strom, Erdgas und Wärme tätig. Ergänzt werden diese Geschäftsfelder durch den Netzbetrieb, Produktangebote für Kabel-TV und Telekommunikation sowie thermische Abfallverwertung und Trinkwasserversorgung.


Im Energievertrieb steigt der Wettbewerb um Kunden und Marktanteile. Welche Strategien hat die EVN für diese Herausforderung?

Szyszkowitz: Eine unserer großen Stärken liegt im differenzierten Eingehen auf die Bedürfnisse unserer Kunden. Dabei setzen wir auf eine breite Palette an maßgeschneiderten Produktlösungen und Dienstleistungsangeboten. Lassen Sie mich ein paar Beispiele dafür nennen, welche Wege wir zur individuellen – und damit bestmöglichen – Servicierung unserer Kunden beschreiten: Als Qualitätsanbieter gehen wir derzeit etwa bewusst einen weiteren Schritt auf unsere Kunden zu, indem wir in niederösterreichischen Städten zentral gelegene Service Center eröffnen. An diesen modern gestalteten Standorten bieten wir das vielfältige Produkt-, Dienstleistungs- und Beratungsangebot der EVN unter einem Dach an. Die EVN Bonuswelt, unser Kundenbindungsprogramm, das Markentreue mit Vergünstigungen für energieeffiziente Produkte und Dienstleistungen verbindet, ist eine weitere Initiative, um unsere Kunden mit attraktiven Angeboten zu überzeugen. Gleichzeitig ist es uns aber auch wichtig, für die Kundenbedürfnisse von morgen gerüstet zu sein und die Chancen zu nutzen, die Energiewende und Digitalisierung für unser Unternehmen bieten.


Überwiegen somit aus Ihrer Sicht die Chancen oder die Herausforderungen beim Thema Digitalisierung?

Szyszkowitz: Digitalisierung bedeutet einmal primär mehr Effizienz bei bestehenden Tätigkeiten, aber auch das Entwickeln neuer Geschäftsmöglichkeiten entlang unserer aktuellen Aktivitäten. Ein gutes Beispiel hierfür ist die EVN Geoinfo. Auf Basis der vor Jahren digitalisierten Pläne und Geodaten bieten wir heute umfangreiche Services für niederösterreichische Gemeinden. So wie in diesem Beispiel entwickeln wir in allen unseren Geschäftsfeldern Lösungen zum Thema Digitalisierung, um für unsere Kunden die sich bietenden Zukunftsmöglichkeiten auf möglichst breiter Ebene zu nutzen.


Beim Schlagwort Digitalisierung denkt man im Fall eines Netzbetreibers unweigerlich an das Thema Smart Meters. Was bedeutet diese Entwicklung für die Kunden?

Layr: Vertrauen ist eine ganz wesentliche Grundlage für starke Kundenbeziehungen. Diesen Weg gehen wir auch bei der Einführung der intelligenten Stromzähler, der Smart Meter. Unsere Kunden im Fokus zu haben, bedeutet in diesem Kontext, dass wir das Projekt Zählertausch sehr gewissenhaft vorbereitet haben und in Sachen Datensicherheit auf bestmögliche technische Standards setzen. Wesentlich ist für uns zudem, dass wir unseren Kunden die Entscheidung über den Einbau eines Smart Meter überlassen. Im Geschäftsjahr 2016/17 starten wir auf Basis dieser Prämissen den Rollout der intelligenten Stromzähler.


Stichwort Trinkwasserversorgung: Wie positioniert sich die EVN in diesem Bereich?

Szyszkowitz: Wir reagieren frühzeitig auf Entwicklungen wie witterungsbedingte Engpässe, steigenden Wasserbrauch sowie steigende Qualitätsanforderungen, denn wir wollen das Versprechen der Versorgungssicherheit unseren Kunden gegenüber auch im Bereich der Trinkwasserversorgung langfristig erfüllen können. Wir werden daher in den nächsten Jahren verstärkt in die Versorgungsinfrastruktur investieren. Schwerpunkte setzen wir hier bei Kapazitätssteigerungen unserer Pumpwerke, beim Ausbau unserer überregionalen Leitungsnetze und bei der Errichtung weiterer Naturfilteranlagen, in denen die Wasserhärte auf natürliche Weise reduziert wird. Damit wollen wir auch die Voraussetzungen schaffen, die Wachstumspotenziale in diesem Bereich mittelfristig zu realisieren.


Herr Layr, wir haben jetzt viel über die strategische Positionierung der EVN in ihren unterschiedlichen Geschäftsfeldern gehört. Wie würden Sie zusammenfassend das Alleinstellungsmerkmal der EVN beschreiben?

Layr: Unsere Stärke besteht in der Fähigkeit, unser technisches Know-how optimal zu nutzen und dabei stets die Bedürfnisse unserer Kunden im Blick zu halten. Die langjährige Erfahrung, die wir im Bereich der Strom-, Erdgas- und Wärmeversorgung gesammelt haben, hilft uns auch bei der Realisierung der geplanten Investitionen im Wasserbereich, insbesondere der weiteren überregionalen Verdichtung unserer Leitungsnetze.


Welche strategischen Schwerpunkte wird die EVN im Geschäftsjahr 2016 /17 in ihren Auslandsmärkten setzen?

Szyszkowitz: Im Energiegeschäft werden wir die kontinuierliche Konsolidierung und Optimierung unserer Aktivitäten in Südosteuropa fortsetzen und damit unsere strategische Stoßrichtung beibehalten. Wir sehen uns auch in diesen Märkten unseren Kernstrategien verpflichtet und setzen auf Versorgungssicherheit und bestmögliches Service für unsere Kunden – von denen wir als lokale Netzbetreiber und Energielieferanten in Bulgarien aktuell rund 1,7 Mio. und in Mazedonien mehr als 800.000 betreuen. Das Erwirtschaften positiver operativer Cash Flows ist in diesen Märkten die Voraussetzung für weitere Investitionen, daher konzentrieren wir uns in beiden Ländern auf die weitere Reduktion der Netzverluste sowie die weitere Verbesserung der Inkassoquote. Anorganisches Wachstum im internationalen Energiegeschäft, etwa durch Zukäufe oder neue Großprojekte in Südosteuropa, planen wir derzeit nicht.

„Wir wollen eine stabile und kalkulierbare Größe auf dem Kapitalmarkt sein.“ Stefan Szyszkowitz

Layr: Unser aktuelles Auftragsportfolio im internationalen Projektgeschäft im Umweltgeschäft ist repräsentativ für unsere Bemühungen, als Generalunternehmer Abwasserprojekte in Ost- und Südosteuropa zu realisieren, bei denen der Auftraggeber die Finanzierung selbst bereitstellt bzw. über Fördermittel internationaler Institutionen, etwa der Europäischen Union, gesichert hat. Zudem evaluieren wir sehr sorgsam potenzielle neue Märkte für das Umweltgeschäft. So bereiten etwa rohstoffreiche – und daher bonitätsstarke – Länder auf der Arabischen Halbinsel mit Unterstützung internationaler Berater Projekte in den Bereichen Abwasserentsorgung und thermische Abfallverwertung vor, die in Kooperation mit Partnern auch interessante Marktpotenziale für uns bieten können.


Herr Szyszkowitz, welche Erwartungen dürfen die Aktionäre in die Aktie der EVN setzen?

Szyszkowitz: Die EVN steht für eine solide Geschäftsentwicklung. Unsere zuletzt stets starken operativen Cash Flows ermöglichen umfangreiche Investitionen, die vor allem in die regulierten und stabilen Geschäftsfelder fließen. Damit unterstreichen wir unser Engagement gegenüber unseren Kunden, die Versorgungssicherheit auch im herausfordernden Umfeld der Energiewende zu gewährleisten. Zudem ist es uns trotz umfassender Investitionen gelungen, unsere Nettoverschuldung kontinuierlich zu reduzieren. Wir wollen eine stabile und kalkulierbare Größe auf dem Kapitalmarkt sein. Stabilität bedeutet für uns Planbarkeit, die sich auch in einer stabilen Dividendenentwicklung ausdrückt. In diesem Sinn werden wir der Hauptversammlung auch heuer wieder eine Dividende von 0,42 Euro je Aktie vorschlagen.


Täuscht der Eindruck, oder blicken Sie trotz Ihres herausfordernden Branchenumfelds durchaus positiv in die Zukunft?

Layr: Das tun wir in der Tat, denn dank unserer kompetenten und engagierten Mitarbeiter verfügen wir über die erforderliche Flexibilität, trotz herausfordernder Rahmenbedingungen die richtigen Lösungen zu entwickeln und umzusetzen: für die Versorgungssicherheit, für unsere Kunden – und damit für unsere Aktionäre. Die EVN ist für die Zukunft sicher positioniert. Wie es auch der Titel unseres Geschäftsberichts auf den Punkt bringt: Nah dran. Mit Sicherheit.

Wir bedanken uns für das Gespräch!

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