EVN – Unternehmen mit Weitblick

Die Mitglieder des EVN Vorstands, Dr. Burkhard Hofer, Dipl.-Ing. Dr. Peter Layr und Dipl.-Ing. Herbert Pöttschacher, im Gespräch zu den aktuellen Herausforderungen eines international tätigen Energie- und Umweltdienstleisters und wie die EVN strategischen Weitblick in spannenden Zeiten beweist.

Wie ist das Geschäftsjahr 2008/09 im Lichte der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise zu beurteilen? Wie stark ist die EVN davon betroffen?

Dr. Burkhard Hofer (Foto) Hofer: Das letzte Geschäftsjahr war voller Herausforderungen und Ereignisse, die so nicht vorhersehbar waren. Bereits im ersten Quartal war abzuschätzen, dass sich die Krise bei der EVN zumindest im Finanzergebnis auswirken wird. Wie weit sie auch das operative Geschäft beeinflussen wird, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht prognostizierbar. Nachträglich können wir sagen, dass wir nicht so stark betroffen waren wie andere Branchen oder Mitbewerber. Wir versorgen im Energiebereich verhältnismäßig wenige Großkunden, deren Energienachfrage aufgrund der Wirtschaftslage zurückging. Das Ergebnis des Geschäftsjahres 2008/09 kann somit in die stabile Entwicklung der Vorjahre eingereiht werden.

Layr: Wobei wir jedoch festhalten müssen, dass sich die einzelnen Segmente bzw. Business Units sehr unterschiedlich entwickelten. Der Erzeugungsmarkt war aufgrund des Nachfragerückgangs sehr stark von der Krise beeinflusst worden. Demgegenüber zeigte sich der Netzbereich dank unserer Kundenstruktur relativ krisenresistent.

Dipl.-Ing. Herbert Pöttschacher (Foto) Pöttschacher: Ich möchte an dieser Stelle ergänzen, dass die Energieerzeugung aufgrund der Preisentwicklung stark in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Wir mussten einen sehr volatilen Verlauf bewältigen, der die Einsatzzeiten und Betriebsstunden unserer Kraftwerke beeinflusste. Diese Situation wird sich erst dann normalisieren, wenn das Preisniveau am internationalen Strommarkt wieder anzieht.

Wie sehr ist das Segment Umwelt Konjunkturverläufen ausgeliefert?

Hofer: Im Segment Umwelt sind wir sehr positiv ins Geschäftsjahr gestartet. Diese Stimmung hat sich im Laufe des Jahres leicht eingetrübt, weil einzelne Projekte zeitlich verschoben wurden. Es ist in diesem Geschäftsfeld sehr schwierig, den Realisierungszeitpunkt vorherzusehen. Baugenehmigungen, aber auch Willenbildungsprozesse gestalten sich oft sehr komplex und damit auch langwierig. Ausschlaggebend ist, dass die Projekte letztlich realisiert werden, und das wird sich auch im nächsten Geschäftsjahr im Ergebnis zeigen.

Layr: Wichtig für die EVN ist auch der positive Beitrag der Projekte im Umweltgeschäft. Ihr Risikopotenzial ist aufgrund der Kunden aus dem öffentlichen Bereich überschaubar, der Projektlebenszyklus ist kürzer, damit sind die Einzelvolumina geringer, und die Refinanzierung erfolgt rascher als bei Großprojekten im Energiebereich. Die Nachfrage nach Anlagen zur Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung ist enorm – auch dank der sehr erfolgreichen Positionierung unseres Tochterunternehmens WTE.

Die EVN musste im Berichtsjahr Preisanpassungen im Strom- wie auch im Gasbereich vornehmen. Steht das nicht im Widerspruch zur Entwicklung am Einkaufsmarkt?

Hofer: Es zählt zu unseren schwierigsten Aufgaben, in Zeiten volatiler Einstandspreise eine ausgewogene, faire und auch transparente Preispolitik für unsere Kunden sicherzustellen. Im letzten Jahr zeigte sich das besonders deutlich: Die Primärenergiepreise durchliefen eine Hochschaubahn mit starken Anstiegen bis zur Jahresmitte 2008 und einem rasanten Preisverfall danach. Bei uns kommen derartige Preisschwankungen erst mit einer Verzögerung an. Deshalb waren im Spätherbst 2008 auch Preiserhöhungen notwendig, wobei ich jedoch festhalten möchte, dass wir zuvor fast zwei Jahre eine konstante Preispolitik ermöglichen konnten. Und im Winter 2008/09 haben wir mit zwei Preissenkungen für Gas auch der Entwicklung des Einkaufsmarkts sehr zeitnahe entsprochen. Wir haben damit unsere Kunden deutlich entlastet, was sich auch in der Ergebnisentwicklung des Business Units Vertrieb widerspiegelt.

Dipl.-Ing.Dr. Peter Layr (Foto) Layr: Wir haben bei unserer Einkaufspolitik einen Mittelweg gewählt, der eine Balance aus Versorgungssicherheit und Flexibilität bei volatilen Preisentwicklungen zum Ziel hat. Unsere Kunden kaufen auch Sicherheit in Form von Speicherkapazitäten, die nicht jeder Anbieter im Portfolio hat. Natürlich bringt eine derartige Vorratshaltung bei sinkenden Primärenergiepreisen auch Nachteile mit sich. Es bleibt somit eine verantwortungsvolle Frage, wo die EVN ihre Grenzen der Risikobereitschaft einzieht.

Die EVN hat mehrere Großprojekte in der Pipeline – wie steht es bei aktuell angespannten Kapitalmärkten um deren Finanzierung?

Hofer: Wir mussten im Berichtsjahr aufgrund von Finanzierungsaspekten keinerlei Abstriche bei der Realisierung unserer Wachstumsprojekte machen. Die EVN konnte sehr erfolgreich fünf Anleihen mit einem Gesamtvolumen von rund 470 Mio. Euro platzieren. Natürlich ist aber auch die Finanzierungskraft der EVN beschränkt, zumal wir hier auch sehr risikobewusst agieren. So fühlen wir uns im Rahmen unserer Finanzstrategie der Erhaltung der finanziellen Stabilität und Flexibilität auf dem Niveau des A-Ratings verpflichtet. Deshalb müssen wir bei der Fülle der möglichen Projekte eine klare Priorisierung vornehmen, die auch einen strategischen Weitblick erfordert. Dabei müssen wir nicht nur an morgen, sondern weit darüber hinaus denken.

Layr: Anders als bei Großprojekten zur Erhöhung der Energieerzeugungskapazitäten sind Investitionen in unsere Netze zu beurteilen. In Österreich bewegen wir uns hier in regulierten Märkten, wo durch die Tarifgestaltung per glossary ID not found: 20 auch das Investitionsklima beeinflusst wird. Zumindest bei Großprojekten fand hier seitens der Regulierungsbehörde ein Umdenken statt, das die Realisierung von zwei Großprojekten im Gasnetz – der Süd- und der Westschiene im Erdgashochdruckleitungsnetz – auch wirtschaftlich sinnvoll macht.

Welche Strategie verfolgt die EVN beim Ausbau ihrer Erzeugungskapazitäten?

Hofer: Als verantwortungsvolles Energieversorgungsunternehmen müssen wir über ausreichende eigene Kapazitäten verfügen, um Abhängigkeiten von externen Faktoren zu reduzieren. Unser langfristiges Ziel ist es, 40 % bis 60 % der Absatzmengen im Strombereich aus eigenen Anlagen und Bezugsrechten abdecken zu können. Der Vergleichswert für das Berichtsjahr liegt bei 17,8 % und verdeutlicht, wie lange der Weg, der vor uns liegt, noch ist.

Layr: Der Weg mag noch lange sein, wir haben aber auch hier ganz klare Zielsetzungen: Zum einen muss ein ausgewogenes Verhältnis unterschiedlicher Erzeugungsformen sichergestellt werden – Wasserkraft, Windkraft, Biomasse und thermische Anlagen. Zum anderen soll längerfristig die Wertschöpfungskette in allen EVN Absatzmärkten ausgeglichen sein, weshalb mehrere Projekte in der Region Südosteuropa zur Versorgung unserer Kunden in Bulgarien und Mazedonien in Angriff genommen wurden.

Pöttschacher: Für den Bereich der erneuerbaren Energie bedeutet das auch, dass wir neue Wege einschlagen müssen. Im Berichtsjahr haben wir dafür ein Pilotprojekt für Photovoltaik in Zwentendorf realisiert. Am Kraftwerkstandort Dürnrohr werden wir nach sehr guten Ergebnissen die Versuchsreihen der Pyrolyseanlage zur Entgasung biogener Rohstoffe nächstes Jahr abschließen. Geplant und begonnen sind auch ein Geothermie- Projekt und der Ausbau der Windkraft in Niederösterreich, aber auch in Bulgarien.

Sehen Sie für erneuerbare Energiequellen auch Grenzen?

Dipl.-Ing.Dr. Peter Layr (Foto) Layr: Ganz klar, ja. Die Realisierbarkeit von Projekten hängt nicht nur von der energiewirtschaftlichen Sinnhaftigkeit und Effizienz, sondern auch stark von den Rahmenbedingungen ab, die der Gesetzgeber definiert. Zwar wurde im September 2009 die Novelle zum Ökostromgesetz verabschiedet. Wie attraktiv der Bau von beispielsweise neuen Windparks in Niederösterreich sein wird, wird aber erst die begleitende Verordnung zeigen, die die Einspeisungspreise vorgeben wird. Und auch bei Wasserkraftprojekten zeigen sich Widerstände, die die EVN natürlich ernst nimmt.

Hofer: In Summe müssen wir feststellen, dass sich Österreich sehr ambitionierte Ziele hinsichtlich CO2-Reduktion und Ausbau der erneuerbaren Energie gesteckt hat. Die Rahmenbedingungen für Projektrealisierungen stehen aber nicht im Einklang mit diesen Ambitionen. Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten, sofern sich die Projekte auch durchsetzen und letztlich auch wirtschaftlich darstellen lassen.

Pöttschacher: Bei der Gestaltung unserer Produktionskapazitäten dürfen wir aber auch konventionelle Verfahren nicht außer Acht lassen, wenn wir die Versorgungssicherheit gewährleisten wollen. Als Beispiel sei hier das Steinkohlekraftwerk im deutschen Duisburg-Walsum genannt, das wir mit Partnern bis 2010 fertig stellen werden. Unsere Kapazitäten werden sich damit um 360 MW erhöhen; gleichzeitig werden wir mit dem Einsatz modernster Technologien die Umweltauswirkungen um 35 % unter dem Durchschnitt vergleichbarer Anlagen halten.

Welche Projekte verfolgt die EVN darüber hinaus im Ausland?

Layr: Die EVN ging bereits im Vorjahr als Bestbieter zur Errichtung von drei Speicherkraftwerken in Albanien am Devoll-Fluss hervor, die damit verbundenen Vorarbeiten wurden im Berichtsjahr im Rahmen eines Joint Ventures fortgesetzt. Parallel dazu verfolgen wir in Kooperation mit der Verbundgesellschaft ein Wasserkraftprojekt am Fluss Drin. In Bulgarien haben wir im September 2009 von den politischen Entscheidungsträgern grünes Licht zur Errichtung von drei Wasserkraftwerken am Fluss Gorna Arda erhalten. Jedes dieser Vorhaben verfolgt sehr ambitionierte Ziele und wird langfristig die Erzeugungskapazitäten der EVN in eine neue Dimension führen.

Dipl.-Ing. Herbert Pöttschacher (Foto) Pöttschacher: Bei unserer Investitionspolitik vergessen wir aber auch nicht auf unseren Heimatmarkt Niederösterreich. Bereits vor mehreren Jahren haben wir mit der Realisierung des Energiekonzepts für den niederösterreichischen Zentralraum begonnen. Rund 200 Mio. Euro fließen in Projekte rund um den Kraftwerksstandort Dürnrohr. Das Besondere an diesem Konzept sind die Synergien, die mit den Teilprojekten gehoben werden. Die Errichtung der Fernwärmeleitung nach St. Pölten verdeutlicht das eindrucksvoll: Sie versorgt St. Pölten mit einem Großteil der benötigten Fernwärme, die aus drei unterschiedlichen Quellen des Standorts Dürnrohr stammt. Auch die übrigen Projekte wie etwa die Errichtung der Linie 3 der Abfallverwertungsanlage liegen voll im Zeitplan und können im nächsten Jahr abgeschlossen werden. Das ist meines Erachtens ein großer Erfolg für alle Beteiligten.

Ein Blick zu den EVN Tochtergellschaften in Bulgarien und Mazedonien. Wie weit ist deren Integration fortgeschritten?

Layr: In Bulgarien ist die Restrukturierung und Modernisierung de facto abgeschlossen, das operative Geschäft entwickelt sich dort gut. Wir sind dabei, die Wertschöpfungskette um die Bereiche Energiehandel und -erzeugung auszubauen. In Mazedonien muss die Entwicklung differenziert beurteilt werden: Die Restrukturierung verläuft wie im Fünfjahresplan definiert. Sorgen bereiten uns hingegen die Differenzen mit der Regierung hinsichtlich Forderungen, die aus der Zeit vor der Akquisition stammen. Zur Lösung haben wir das Internationale Schiedsgericht angerufen, um das Investitionsschutzabkommen, das zwischen Österreich und Mazedonien besteht, durchsetzen zu können. Aus diesen Differenzen resultiert jedoch auch eine Preispolitik, die uns während der letzen drei Jahre Preiserhöhungen verwehrt hat, was sich naturgemäß auf die Ergebnisentwicklung auswirkt. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir auch in diesem Markt mittelfristig positive Ergebnisbeiträge erwirtschaften können.

Wo steht die EVN Ihrer Meinung nach in zehn Jahren?

Dr. Burkhard Hofer (Foto) Hofer: Aus heutiger Sicht sehe ich die EVN auch im internationalen Kontext dank ihrer Partnerschaften und Kooperationen als wettbewerbsfähig. Einhergehend mit dem europäischen Integrationsprozess werden unsere geografischen Märkte stärker zusammenwachsen und auch vermehrt Größenvorteile zulassen. Etwaige Konsolidierungen in unserer Branche wird die EVN auch weiterhin für wertsteigernde Expansionen im Rahmen unserer Finanzierungsmöglichkeiten nutzen.

Layr: In der Erzeugung wird die Entwicklung von Treibhausgasen noch stärker als bislang eine entscheidende Rolle einnehmen. Die EVN wird das Wachstumspotenzial ihrer Regionen durch eine möglichst geschlossene Wertschöpfungskette entlang der Bereiche Strom, Wärme und Gas ausschöpfen.

Pöttschacher: Es wird sich jedoch auch die Nachfrage ändern. Alternative Antriebstechnologien werden Einzug halten, Themen wie E-Mobilität oder das Erdgasauto an Bedeutung gewinnen. Diese Aspekte werden vielleicht noch nicht während der nächsten zehn Jahre, aber in weiterer Folge unser Geschäftsmodell verändern.

Hofer: Alle diese Szenarien und Potenziale werden auch den Kursverlauf der EVN Aktie in der Zukunft bestimmen. Die EVN ist ein Unternehmen, das mit seinen Vorhaben weit in die Zukunft planen muss. Dennoch gilt es in der Gegenwart unseren Aktionären eine angemessene Vergütung sicherzustellen, auch in schwierigen Zeiten. Mit einer nachhaltigen, grundsätzlich wachstumsorientierten Dividendenpolitik wollen wir diesen Brückenschlag meistern.

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